In den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts begann sich die Idee durchzusetzen, auch Gebrauchsgüter bewusst zu gestalten. Das eher verspielte Art Déco und die funktionsorientierte Bauhaus-Gestaltung bestimmten in etwa die gängigen Stilrichtungen. In Deutschland entstanden mit Bahnbezug vor allem neue Bahngebäude, kaum aber Rollendes Material unter dem Einfluss von Designern.

Die "Stromlinie", also die zur Erreichung höherer Reisegeschwindigkeiten und/oder zur werbenden Darstellung von Geschwindigkeit geformte äußere Hülle war sicher der wichtigste Beweggrund, neue Bahnfahrzeuge in ihrer äußeren Form bewusster zu gestalten.

Lokomotiven:

In den Jahren vor dem 1. Weltkrieg hatten manche "verschwenderische" Bahnverwaltungen, den englischen Konstrukteuren folgend, begonnen, ihre hochwertigen Dampfloks mit Glanzblechen als zusätzliche Kesselverkleidung auszurüsten. Insbesondere badische und bayerische Schnellzug-Maschinen wirkten dadurch "elegant".

PennRR GG1 4890Hatte zunächst der Kessel die Form einer Lokomotive bestimmt und dominiert, brachten die neuen Antriebstechniken (Verbrennungsmotor und Elektrizität) eine Vereinfachung des Lokomotiv-Aufbaues mit sich. Überwiegend phantasielos wurden die ersten Lokomotiven wie Kisten gestaltet. Anfang der 30er bestellte die Pennsylvania Railroad für den Verkehr nach NYC eine schwere elektrische Lokomotive, bei der erstmals die Entwicklung eines Designs Teil des Lieferauftrages war. Die GG1, von Raymond Loewy (geschaffene Markenzeichen z.B.: SPAR, Lucky Strike, Shell) farblich gestaltet, wurde zum Vorbild des modernen Eisenbahn-Designs. Der Einzug der Schweißtechnik in die Fahrzeugfertigung machte diese weiche Formensprache nun möglich.

In Deutschland machte man sich getreu dem Erbe preußischer Sparsamkeit wenig Mühe mit der äußeren Gestaltung, die Schnelltriebwagen gestaltete man sachlich-trist, die Elektro-Loks mit Ausnahme der E18/E19 in einfachster Weise. Neben den LBE-Wendezügen orientierten sich lediglich die neuen Schnellzug-Dampfloks 01.10, 03.10, 05, 06, 19.10 und 62 mit ihren Stromlinien-Aufbauten an der Moderne - und gingen mit dem Land im 2. Weltkrieg unter.

EMD F3 Santa Fe (Walters Proto 2000)Das als Folge des 2. Weltkrieges völlig veränderte Europa orientierte sich neu in der Welt und nahm vor allem Entwicklungen in den USA auf. Viele Länder importierten US-amerikanische Dieselloks - und damit das bekannte Bullnose-Design nach Europa (Design für ALCO: Otto Kuhler). Von Norwegen bis Ungarn, von Spanien bis in die Türkei findet man die an die europäische Bahnpraxis angepassten E-Typen von EMD/GM, von denen heute noch einige im Alltagsdienst tätig sind.EMD F3

Die deutsche Bahnfahrzeugindustrie, schnell wieder export-orientiert, setze nie auf Lizenzfertigungen, sondern begann ein eigenständiges Programm mit überwiegend diesel-hydraulisch angetriebenen Lokomotiven. Auch hier setzte man die "Bullnose" um, garnierte sie mit dem zweifarbigen "V-Design" der Florida East Coast Railway und schuf die ML 2000 BB, als V200 der Deutsche Bundesbahn ein Begriff. V200 002 Deutsche BundesbahnVarianten dieses Typs gingen nach Großbritannien, Spanien und Jugoslawien. Das "V-Design" findet man ab 1955 auch auf den Triebwagen für den Schnellverkehr. Deutlicher wurde die Stilverwandschaft mit der GG1 beim TEE-Triebwagen VT11.5, der auch nach Dänemark exportiert wurde. Dieser Zug zeigt aber auch schon Stilmerkmale des EMD-"Aerotrain". GM Aerotrain

Nach 9 Vorserien-Maschinen der V160 verließ man diese längst veraltete Stilrichtung und schuf ein eigenständiges Design mit V320, DE2000, E10.3 und E03. Hier gab man die Wirkung von Farbe und Farblinienführung wieder auf - bis hin zur völlig Kapitulation vor dem Rotstift 1973.

Keinen Niederschlag in Deutschland fand das "Sharknose"-Design von Baldwin (T1, RF-16) oder die stumpfe, Kraft demonstrierende Variante der Fairbanks-Morse "Erie built" oder ALCO "PA".

Reisezugwagen:

Bereits 1947 unternahmen Mitglieder des Reichsbahn-Vorstandes eine Dienstreise in die USA, um sich über die technischen und betrieblichen Entwicklungen dort zu unterrichten. Diese Reise wurde über viele Jahre zu einer regelmäßigen jährlichen Veranstaltung.

Leichtbau und Schweißtechnik waren inzwischen in Deutschland weit entwickelt und der Waggonbau für klassische Stahlwagen weltweit konkurrenzfähig. Die Versuche in den 30ern hatten zu stromlinieförmigen Standard-Reisezugwagen geführt, die ab 1961 als europäischer Standard-Reisezugwagen Typ X in vielen Ländern Verbreitung fanden. Im Gegensatz zu Frankreich hat es in Deutschland zunächst keine ernsthaften Versuche mit austenitischen Stählen gegeben, die Budd-Typen fanden hier kein Interesse. Man ging eigene Wege bei der Schaffung der "Silberlinge" der n-Bauart.

Viele Eindrücke aus den Reisen wurden aber in den Bahnbetrieb eingeführt:

  • ein einziger Schlußwagen mit Aussichtskanzel kamen im Gegenzug zum Blauen Enzian ("Henschel-Wegmanzug") zum Einsatz, er wurde aus einem Altwagen C4üwe-39 umgebaut.
  • "Vista-Dome"-Wagen erschienen das non-plus-ultra des Luxusreisen zu werden, im "Rheingold" und "Rheinpfeil" ab 1961 wurden erstmals - und auch nur dort - 5 solcher Neubau-Wagen eingesetzt. Auch die 5 WR4ümg-61 mit zweistöckiger Küche haben ein US-Vorbild.
  • "Sleeperette"-Wagen, also Wagen mit einem kleinen 1-Bett-Abteil, wurden bereits 1949 in kleiner Serie (40 Stück, davon 20 für die US-Armee) als WLBs4üe-50 ("Zick-Zack-Schlafwagen") beschafft.
  • Das für 1-3 Reisende nutzbare Schlafwagenabteil Typ "universal" wurde verbindlich für den europäischen Schlafwagen
  • Klimatisierung der höherklassigen Reisezugwagen und Speisewagen wurde zum Standard
  • letztlich gingen mit den Apümg-61 auch die ersten Großraum-Wagen des Typs "Pullman" im Fernverkehr der DB in Dienst

Völlig unabhängig von der US-Entwicklung bleib die Fahrwerktechnik. Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern dominierte bei der DB nie das einfache "Schwanenhals"-Drehgestell.

Englische Einflüsse:

BR 60008 Dwight D EisenhowerWenig bekannt sind die Einflüsse englischen Designs. Man findet sie besonders bei den Neubaudampfloks (23, 65, 82), deren Äußeres einen deutlich glatteren und "aufgeräumteren" Eindruck macht als bei der Einheitsdampflok.

 

Alle Fotos dieser Seite: Hans W. Berghoff