Neue Baugröße: Als Sensation wurde 1972 die Vorstellung der Märklin „Z“-Modellbahn im Maßstab 1:220 empfunden.

In Baugröße „N“ zeigte Arnold eine Dampflok der Baureihe 41 Ep. II mit funktionsfähigem Dampferzeugern (und fragwürdigen Anschriften).

Baugröße H0:

Faller zeigte ein wenig ländliche Romantik.

Fleischmann beglückte die Modellbahner mit einer 64 in der mit der 55 begonnenen Ausführungsqualität sowie einer aus der alten 1:82-80er abgeleiteten Zahnraddampflok „Carl“ und dazu passenden Wagen in blau-weiß. Dazu stellte man die „Fox-Kupplung“ vor, eine automatische Mittelpufferkupplung, deren Erscheinungsbild sich dem damals geplanten „Unicoupler“ annäherte. (es wurde nichts draus, weil der Modellbahner den Nutzen bei hohem Preis nicht erkannte, aber man erkennt die Idee in der späteren Profi-Kupplung wieder)

Günther stellte die große Henschel-Dampfschneeschleuder als Bausatz vor, dazu Verfeinerungssätze für die Märklin-86 zum Umbau in die ÜK-Version, Umbau der Fleischmann-55 in die 56.7-8 (als „Baureihe 056“), den Bausatz einer Köf II und kündigt den Komplettbausatz einer 41 an.

Jouef zeigt u.a. „universelle“, kürzbare Inneneinrichtungen für Drehgestellwagen.

KIBRI zeigt eine Gruppe von sehr detaillierten Stadthäusern der Gründerzeit im glaubhaften Zustand der 50er Jahre. Sie sind noch deutlich verkleinert im Maßstab, wurden aber mit Freude aufgenommen. Sie konnten als Vorder- und Rückseite mit unterschiedlichen Gestaltungen mehrfach genutzt werden und mit Geschick deshalb auch zu Halbreliefhäusern umgebaut werden. Die Grundplatte passte zum hauseigenen Gehwegplatten-System. Weiterhin gab es ein modernes Lagerhaus, das den Besuchern „imposant“ erschien. Der Siloturm war immerhin 20cm hoch, die Laderampe so lang wie 2 gekuppelte Zweiachsgüterwagen.

Liliput zeigte 30cm lange, also tatsächlich maßstäblich lange DB-D-Zugwagen der Bauart 1961, den PwPost4ü-28 und einen aus einem Rheingold-Salonspeisewagen umlackierten DB-Gesellschaftswagen. Die P8 und die 62 wurden überarbeitet.

Märklin zeigte den üblichen Gussklotz als eine S3/6 mit windschnittigem Führerhaus in DB-Ep. IIIa/b-Ausführung auf dem vorhandenen 2’C1' h2-Standardfahrwerk und ein vernachlässigbares Einfachmodell einer K&K-C-Dampflok mit Kobelschornstein. Die ersten hauseigenen 27cm-D-Zug-Wagen aus Kunststoff mit in der Länge nach innen versetztem Drehpunkt der Drehgestelle erschienen neu in POP-Lackierung und mit einfacher Inneneinrichtung. Die Proportionen im Groben und im Detail erschienen den Messebesuchern nicht besonders gelungen.

M&F (Merker&Fischer) zeigte Bausätze für DB 01Öl und E 75, die unverkleidete 05 und den ET 85 sowie weitere Zurüstteile.

Roco (als „Peetzy-Roco“) zeigte Militärfahrzeuge der Bundeswehr. Unter „Roco international“: Die Serie der Einfach-Güterwagen der DB wurde nun in beschrifteter Form angeboten. Damals ahnte wohl niemand, was längst zwischen Köln und Salzburg brodelte.

Preiser zeigte u.a. Beamte der Deutschen Bundespost bei ihrer Tätigkeit im Außenfeld.

Die A. Richter KG. zeigte diverse Leuchten.

RIVAROSSI überraschte mit einer roten E 19 und einem modernen INTERFIGO-Kühlwagen mit Kühlaggregat.

Roskopf zeigte Militärmodelle der Bundeswehr.

RÖWA (Willy Ade) zeigte die E 91, den Kriegsgüterwagen Glmghs „Leipzig“ als DB-Wagen und darauf basierend den Behelfspersonenwagen MCi. Die Wagen der Leichtschnellzug-Bauart 1952 (AB4ymg(B4ymg) im Längenmaßstab 1:100 wurden angekündigt. Auch sollten die Tischlampen in den Speisewagen und Barwagen zukünftig beleuchtet sein. Zudem wurde das neue Kurzkupplungssystem mit Kulissenführung und starr verbindenden, zur Märklin-Kupplung kompatiblen Kupplungsköpfen gezeigt. Dieses Konstruktionsprinzip und die Kupplungsaufnahme sind heute Standard in H0. Für die bereits gelieferten Wagen sollte es „Austausch-Chassis“ zu kaufen geben. Der Glmghs und der MCi sollten auch Kurzkupplung haben. Große Aufmerksamkeit erregte das neue RÖWA-Gleissytem mit angegossener Schotterbettung und einer neuartigen Gleisgeometrie, die Weiche und Herzstück als getrennte Segmente vorsah und dadurch viele Varianten ermöglichen sollte. Doch die Wolken am Horizont von SOLEX/ROKAL/RÖWA wurden zunehmend dunkler und dichter…

TRIX hatte in H0 u.a. noch mit dem Verlust der Zuarbeit von Willy Ade zu kämpfen. So konzentrierte man sich wieder weitgehend auf das EXPRESS-System und ignorierte den 2-Leiter-Markt fürderhin. Noch aus der Arbeit von Willy Ade sollte die pr. T 13/92.1-10 kommen. Die sehr verkürzten D-Zug-Wagen erschienen in Pop-Farben und die altbackene 01 erhielt eine Variante im bekannten grauen Fotolack und auch in schwarz-grüner Ausführung, über die die „Fachleute“ lange stritten und die der Käufer daraufhin ignorierte. Doch heute wissen wir, dass dies die erste Auslieferungsserie der 01 korrekt darstellte. Aber das Thema ist verbrannt.

Vollmer zeigte einen sehr modularen Bahnhofsbausatz ähnlich dem Bahnhof „Baiersbronn“ im Schwarzwald, aus dem etliche Varianten bis hin zum gut getroffenen Haltepunkt „Maxzell“ angeboten wurden.

Wiking zeigte in H0 einige Fahrzeug-Varianten.

Fazit:

Insgesamt war die Messe für die H0-Modellbahner wenig aufregend. Der Markt wurde zunehmend schwierig, die Autorennbahnen hatten das Geschäft nachhaltig beeinflusst und die Gesamtwirtschaftslage war auch nicht ermunternd. Den traditionellen Herstellern fehlte noch der Mut, alte Zöpfe abzuschneiden. Wirklich „bahnbrechend“ war die von Willy Ade bei RÖWA vorgestellte, durchdachte und zuverlässige Kurzkupplung als Komplettsystem mit Kinematik, einheitlicher Kupplungskopfbefestigung und damit der Möglichkeit, die Kupplung nach Wahl montieren zu können. Es dauerte aber noch bis zum Folgejahr, bis der erste Wagen mit dieser Technik erschien – der B4üm234 und die beiden EUROFIMA-Pop-Wagen. Zum Durchbruch verhalt der Idee ein anderer Hersteller, der in diesem Jahr noch kaum beachtet wurde. Das RÖWA-Gleissystem erreichte auf der Messe ebenfalls einen Achtungserfolg – am Markt war es dann kaum verfügbar und viel zu teuer. Der Trend zu längeren Drehgestellwagen schien anzuhalten, auch wurden die Modellhäuser zunehmen in die Nähe der Maßstäblichkeit gebracht. „Modell des Jahres“ wurden absolut erwartbar die KIBRI-Stadthäuser, die endlich mit der „Verniedlichung“ schlussmachten, glaubhafte Proportionen, Farben und Oberflächen zeigten und variabel nutzbar waren. Der für seine Feinprofile bekannte Händler Fritz Nemec in Freilassing warb zwar noch damit, dass „RÖWA-H0-Fahrzeuge“ bei ihm im Versand erhältlich waren. Tatsächlich hatte aber der rührige Vertrieb RÖWA längst in die meisten besser sortierten Spielwarenläden gebracht. Dabei half sicher der Ehrgeiz von Willy Ade, mit jedem Gleissystem kompatibel sein zu wollen und sogar den Fleischmann-Schaltpilz an den Triebfahrzeugen anzubieten. Diese Philosophie sollte sich als zukunftsweisend für andere erweisen.

Interessant ist weiterhin, dass besonders die Fachzeitschrift MIBA einen erheblichen „Druck“ auf die Hersteller ausübte, indem dort höhere Mindeststandards immer nachdrücklicher gefordert wurden. Einhaltung des Maßstabes 1:87 in möglichst allen wichtigen Dimensionen, Kurzkupplung, niedrigere, feinere Gleise, größere Gleisbogenradien, schlankere Weichen, austauschbare Kupplungen und Radsätze, einheitlich Elektrik/Polung der Antriebe für das Standardsystem (2-Leiter DC), zu öffnende Modell-PKW und Reisezugwagen, bessere Antriebe (geringes Rastmoment, breitere Geschwindigkeitsregelung, gute Langsamfahreigenschaften) waren Ansprüche, an denen die Hersteller nur mit Unlust „knabberten“, um in nächster Zukunft dann rüde aufgeweckt zu werden. Denn im nächsten Jahr „platzte die Bombe“ aus Köln/Salzburg. Ab der Messe 1973 wurden in H0 „die Karten neu gemischt“ und das Hobby nahm wieder erfreuliche Fahrt auf.